Springer vs. Bauer – Das Duell der Frauenversteher | goFeminin und Wunderweib im Content Marketing Check

Gerrit Grunert
| 20.05.2015

Frauen sind für Werbetreibende und Marketer eine attraktive Zielgruppe: Sie sind kaufkräftig, investieren stärker als Männer in FMCG wie z.B. Kosmetikprodukte und treffen nicht nur für sich, sondern meist auch für die Kinder die wichtigsten Kaufentscheidungen. Die vielfältigen Bedürfnisse, Interessen und Probleme von Frauen kann die klassische Werbung nicht beantworten. Hier kommen Inhalte ins Spiel, die genau diese Bedürfnisse, Interessen und Probleme aufgreifen. Doch wie genau kann und sollte Content Marketing aussehen, das sich vorwiegend an Frauen richtet? Wir werfen einen Blick auf die zwei erfolgreichsten Frauen-Portale, die sich mit 21 bzw. 15 Millionen Visits als Top-Player auf dem deutschen Markt positioniert haben: Wunderweib von der Bauer Media Group und goFeminin von der Axel Springer SE.

Mode, Beauty, Liebe… – selbstverständlich, oder?

Wenn es um Frauen geht, denken viele (insbesondere männliche Marketer), sie hätten ihre Zielgruppe in allen relevanten Belangen verstanden: Mode, Beauty, Gesundheit, Liebe, Diät, Kochen, Horoskop – diese Themen sollten quasi automatisch eine weibliche Leserschaft anziehen. Wer so denkt und nach diesem Prinzip seiner Zielgruppe Inhalte anbieten will, wird früher oder später ein böses Erwachen erleben. Es bedarf einer detaillierten Analyse der eigenen Zielgruppe, denn Frau ist nicht gleich Frau: Eher 25 oder eher 45? Online-Shopping-affin oder lieber analog im Geschäft unterwegs? Urban oder in ländlichen Regionen zu Hause? Diese Ausdifferenzierungen entscheiden über die Ansprache, die Veröffentlichungsfrequenz von Inhalten, deren Themengewichtung, ja sogar die Auswahl der Advertorials. Die Zielgruppenanalyse ist also sehr wichtig. Doch werfen wir zunächst einen Blick auf die direkte Kommunikation mit den Nutzerinnen

„Du, komm her zu uns, hier ist es schön!“

Beide Portale duzen, arbeiten mit expliziten Call-to-Actions, werfen Fragen auf und greifen dabei auf Clickbait-Stilmittel zurück. Insbesondere bei einer Strategie, die Social Media einen großen Stellenwert beimisst, ist das ein legitimer und erfolgsversprechender Weg.

goFeminin.de-Homepage (Screenshot vom 13.05.2015)
goFeminin.de-Homepage (Screenshot vom 13.05.2015)

Selten halten die Artikel allerdings ihr Versprechen ein. Das zeigt allein die Artikellänge auf den Frauenportalen: Wunderweib bewegt sich in der Regel knapp unter der 400-Wörter-Grenze, goFeminin etwas darüber. In 400 Wörtern kann keine ausführliche Stilberatung stattfinden. Im Vordergrund steht hier also offensichtlich keine tiefgründige Auseinandersetzung. Vielmehr geht es um kurzweiliges Infotainment: leichte Kost, denn in der Sidebar wartet bereits der nächste spannende Artikel. Damit dürfte der Content den Mediennutzungsgewohnheiten der Leserinnen entsprechen: Für lange, ausführliche Artikel bleibt selten Zeit. Die Inhalte sollten sich schnell lesen oder zumindest überfliegen lassen.

Sowohl Wunderweib und goFeminin haben allem Anschein nach konkrete Strategien für spezifische Kanäle und Formate entwickelt – ausgehend von einer Analyse der Zielgruppe, ihrer Interessen und Bedürfnisse und den Maßgaben der jeweiligen Kanäle und Formate. Das beginnt beim Text-Content, der Hauptsäule der beiden Portale, und reicht bis hin zum Video-Content: Wunderweib verrät – wenn auch nicht kontinuierlich – auf YouTube Lifehacks. goFeminin produziert Fitness-Videos und verknüpft diese mit einer WhatsApp-Newsletter-Kampagne.

Video-Content bei goFeminin (Screenshot vom 15.05.2015)
Video-Content bei goFeminin (Screenshot vom 15.05.2015)

Beide Portale stehen wohl kaum davor, demnächst einen ganzen Fernsehkanal füllen zu können, aber sie sind am Ball – und darum geht es. Sämtliche Mitbewerber müssen sich nun an Wunderweib und goFeminin messen.

Die Mutter hilft: Backlinks von Axel Springer und Bauer Digital

Oft heißt es, der richtige Content allein wirke Wunder. Das stimmt in vielen Fällen. Mindestens genauso große Wunder bewirken allerdings auch mächtige Backlink-Geber. Über die verfügen die beiden analysierten Frauenportale. goFeminin ist der deutsche Arm von aufeminin.com und gehört zur Axel Springer SE. Insgesamt stammen knapp 10.000 Backlinks allein von ihr, beispielsweise von Abendblatt.de (ca. 4.100), Bild.de (ca. 3.800) und Welt.de (ca. 1.000). Ähnlich ist die Situation bei Wunderweib, das zur Bauer Media Group gehört, von deren Medien das Portal Backlinks erhält (ca. 3.900). Eine beträchtliche Zahl von Backlinks (ca. 1.300) stammt darüber hinaus von Subdomains der Wunderweib-Seite, die diese für Medienkooperationen verwendet.
Auffällig ist, dass beide Frauenportale kaum Backlinks von unabhängigen Influencern erhalten – also Link-Gebern, die sich aus eigenem Antrieb mit den Inhalten von goFeminin und Wunderweib auseinandersetzen. Auf die sind die Portale ganz offenbar nicht angewiesen. Es wird allerdings deutlich, dass sich an dieser Stelle die Sichtbarkeit weiter optimieren ließe. Außerdem können hier Mitbewerber ansetzen, da Wunderweib und goFeminin hier freiwillig die Deckung fallen lassen.

Soziale Netzwerke

Wie bereits angedeutet, spielen die sozialen Netzwerke für beide Frauenportale eine große Rolle. Hier entfaltet sich die Wirkung der Clickbait-Stilmittel erst richtig. So ist der Umfang des Seedings kaum verwunderlich: goFeminin veröffentlicht auf Facebook im Durchschnitt 10 Posts täglich, Wunderweib 14.

goFeminin auf Facebook (Screenshot vom 15.05.2015)
goFeminin auf Facebook (Screenshot vom 15.05.2015)

Etwas spannender als das Seeding von Artikeln ist allerdings, wie sich Unternehmen in sozialen Netzwerken wie Pinterest oder Instagram bewegen. Die beiden Frauenportale haben sich entweder bewusst gegen mehr Aktivität auf Instagram entschieden oder es handelt sich um eine Baustelle – endgültig lässt sich das nicht sagen. In jedem Falle besteht hier wie in so vielen Branchen Optimierungspotenzial: Bild-Content hat in den vergangenen Jahren an Relevanz gewonnen und wird es aufgrund der schnellen Rezipierbarkeit weiter tun. Es ist einfacher, an der Haltestelle durch bebilderte Zitate, Foodporn, Fitness-Tipps und Frisuren zu scrollen, als einen Artikel mit 400 Worten zu lesen – egal, wie einfach dieser geschrieben ist.

Wunderweib auf Instagram (Screenshot vom 13.05.2015)
Wunderweib auf Instagram (Screenshot vom 13.05.2015)

Im ebenfalls bildbasierten sozialen Netzwerk Pinterest sind sowohl Wunderweib als auch goFeminin vertreten. Das ist nur logisch, denn für viele Themen, die sich an die Interessen der Zielgruppe richten, lassen sich starke Bilder finden: „Styling-Tipps ♥“, „Rezepte zum Abnehmen ♥“ und „DIY Inspirationen ♥“ bei Wunderweib, „Hochzeit & Traumkleider“, „Beauty Secrets“ und „Shoelove“ bei goFeminin. Zwischen den Pins fremder Nutzer platzieren die Portale eigene Artikel und seeden so unauffällig. Die Wahrscheinlichkeit, dass potenzielle neue Fans so auf die jeweiligen Websites gelangen, steigt – ein Paradebeispiel dafür, wie Unternehmen Inhalte zielgruppennah und -adäquat platzieren können.

goFeminin auf Pinterest (Screenshot vom 15.05.2015)
goFeminin auf Pinterest (Screenshot vom 15.05.2015)

Fazit

Wenn Unternehmen offenbar in vielen Belangen den richtigen Weg gehen, kann es schwer fallen, genau zu identifizieren, wo das Erfolgsrezept liegt. So ist es auch bei goFeminin und Wunderweib: Die beeindruckenden Zugriffszahlen beider Frauenportale zeigen, dass hinter der Fassade gut durchdachte Strategien stehen. Sie alle haben einen gemeinsamen Ausgangspunkt – eine Maßgabe, die jeder Content Marketer beachten sollte:

Eine Zielgruppe hat Wünsche, Interessen, Befindlichkeiten und Probleme. Inhalte, die für die Zielgruppe individuell relevant sein sollen, müssen sich darauf beziehen.

Diese Grundregel klingt banal. Ihre Einhaltung verspricht allerdings Erfolge, wie die Beispiele aus dieser Analyse zeigen. Je mehr Zeit Sie investieren, um Ihre Zielgruppe und deren Lebenswelt zu verstehen, umso passendere Inhalte können Sie produzieren.
Um sich hohe Zugriffszahlen oder Backlinks zu sichern, darf an dieser Stelle die Prozesskette nicht enden: Die Zielgruppenanalyse und die Content Produktion sind wichtige Schritte, aber der Blick auf die Social-Media-Aktivität zeigt, das erst mit dem Seeding in sozialen Netzwerken die PS auf die Straße gebracht werden.
Alle folgenden Schritte sollten deshalb in Ihrer Content-Marketing-Strategie vorkommen:

  • Zielgruppenanalyse: Verstehen Sie die Personen, deren Aufmerksamkeit Sie erlangen wollen.
  • Mitbewerberanalyse: Betrachten Sie Ihre Konkurrenz und deren Inhalte. Identifizieren Sie relevante (Chancen-)Keywords und Backlink-Geber.
  • Produktion: Produzieren Sie relevante Inhalte – ausgehend von den vorangegangenen Analysen.
  • Seeding: Teilen Sie Ihre produzierten Inhalte strategisch in Ihren sozialen Netzwerken.
  • Monitoring: Beobachten Sie permanent, wie es um Ihre Sichtbarkeit generell, um Rankings und Backlinks steht.

Sie sehen: Zielgruppen-adäquates Content Marketing ist eine hohe Kunst, aber nicht unmöglich. Eine Orientierung an Usecases hilft, den richtigen Maßstab für das eigene Vorhaben zu verwenden. Werfen Sie also auch weiterhin gelegentlich einen Blick über den Tellerrand – schauen Sie ab, profitieren Sie von den Fehlern anderer und stellen Sie fest, welche Potenziale Sie bisher übersehen haben!

Author

Gerrit Grunert
Gerrit Grunert ist Gründer und CEO von Crispy Content. Nach verschiedenen Stationen in Medienunternehmen wie Sevenone Intermedia, MTV Networks Germany und Research International gründete er im Mai 2010 die Content Marketing Agentur Crispy Content. Der Fokus der Agentur liegt auf der effizienten Content Produktion und deren Einsatz im Online Marketing. Zu Crispy Contents Kunden zählen u.a. Axel Springer, Continental, Red Bull Media House und Viacom International Media Networks.