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Warum sich Unternehmen mit Content Marketing so schwertun

Barbara Ward
| 27.02.2020

Content Marketing ist in. Und das nun schon seit ein paar Jahren. Überall wird gebloggt, gefilmt und gepostet. Wer einen genaueren Blick in die Content-Flut wagt, stößt allerdings überwiegend auf „soliden Durchschnitt“. Content, der nicht schlecht ist, der niemandem weh tut – an den man aber auch nicht auf dem Totenbett denken wird. Ich zumindest nicht. Herausragenden, überraschenden Content gibt es viel zu selten. Und das hat Gründe.

Gutes Content Marketing scheint für Marketing-Teams immer noch eine große Herausforderung zu sein. Das beginnt schon ganz am Anfang. Wenn man so will, ist der Zellkern von Content Marketing ein anderer Blick auf die Zielgruppe. Es stehen die Bedürfnisse der Zielgruppe im Zentrum, nicht das Produkt. Selbstverständlich hat man auch in der klassischen Werbung mitunter viel Zeit auf Zielgruppenanalysen verwendet, aber – Hand aufs Herz – wer hat sich denn wirklich überlegt, was die Leute interessiert? Es ging doch viel eher um Verlockungen. „Kinder, Sex und Tiere geht immer“ – diese Credos bestimmten die Werbewelt. Begehrlichkeiten wecken, Lifestyle kreieren.

Bunte Bilder, große Emotionen…?

Auch heute geht es im Marketing schlussendlich immer um den Umsatz, die Conversion oder den Abschluss. Und das ist auch beim Content Marketing in letzter Instanz nicht anders. Der Ausgangspunkt von Content Marketing ist jedoch, zunächst den Informations- oder Unterhaltungsbedarf des Users zu erfüllen. Das scheint längst noch nicht bei allen angekommen zu sein.

Stattdessen wird wieder vom Unternehmen aus gedacht: „Was brauche ich? Was kann mein Produkt? Wer muss mal wieder in der Überschrift genannt werden?“. Blog-Artikel, die aber eigentlich verkappte Pressemitteilungen sind, vornehmlich aus Gründen der internen Politik heraus entstehen und nicht konsequent auf die Personas ausgerichtet sind, können in der Content-Flut nicht mehr bestehen.

Mittelmäßiges wird weggeschwemmt

Und schon sind wir beim nächsten Grund, warum Content Marketing scheitert. Es gibt mittlerweile so viele Experten, Influencer und Branchenkenner, das wirklich niemand mehr „soliden Content“ lesen muss. In vielen Bereichen können wir alle auf Top-Content zurückgreifen, der uns in der Regel kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Das heißt, dass jede Content Marketing-Strategie versuchen muss, in der obersten Liga mitzuspielen. Ansonsten geht der überwiegende Teil des Contents im Getöse unter. Sicherlich wird es kaum möglich sein, dauerhaft auf allen Kanälen und mit jedem Stück Premium-Inhalte zu erschaffen. Aber Premium-Content muss in der Strategie fest eingeplant werden, um zumindest punktuell neue und bestehende Zielgruppen zu erreichen, und diese langfristig an die Kanäle zu binden.

Content Silos, das weit verbreitete Gift

Apropos Kanäle. Content Marketing funktioniert am besten als Teamsport. Ein ausgeklügeltes System an verschiedenen Touchpoints bietet Kunden und Interessenten einen spannenden Content-Mix. Das Problem, das sich speziell bei großen Marken zeigt, sind immer noch die Content-Silos. Hier werkelt jede Abteilung für sich. Unternehmenskommunikation, Marketing und Pressestelle sitzen zwar nur wenige Treppenstufen voneinander entfernt, verhalten sich aber so, als hätten sie überhaupt gar nichts miteinander zu tun. Der eine Channel Manager spricht mit dem nächsten nicht.

Im Idealfall laufen Projekte aneinander vorbei. Im schlimmsten Fall entsteht ungesunder Wettbewerb, weil sich die Kollegen nicht grün sind. Dabei profitiert Content Marketing wie kaum eine andere Disziplin davon, wenn viele gute Leute ihre Köpfe zusammenstecken und zwar plattform- und abteilungsübergreifend. Mehr Ideen, mehr Witz, weniger Ressourcen sind das Ergebnis, wenn interdisziplinär gearbeitet wird. Content-Silos sind Gift für guten Content, leider eines das noch recht weit verbreitet ist.

Budget allein reicht nicht mehr

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der Unternehmen davon abhält, überraschenden, neuen und mutigen Content zu produzieren, sind eingefahrene Routinen. An so vieles hatte man sich in den letzten Jahrzehnten in den Marketing- und Werbeabteilungen so schön gewöhnt. So ließen sich Reichweiten beispielsweise völlig unkompliziert einkaufen. Natürlich nur solange man das Geld hatte. Aber wer tief in die Tasche griff, der verkaufte, selbst mit dem schrottigsten TV-Spot.

Heute ist Paid Content selbstverständlich Teil einer Content Marketing- oder Social Media Marketing-Strategie. Gratis sind Reichweiten in den etablierten Netzwerken kaum noch zu erzielen. Trotzdem fordern User wie Netzwerke auch bei Sponsored Content Qualität und eine zeitgemäße Kommunikation ein. Auf schlechte Videos kann man sicherlich jede Menge Ads schalten, aber die Conversion ist trotz massenhafter Views längst nicht mehr sicher. Ausreichend Media-Budget allein kann Content Marketing nicht zum Erfolg führen.

Kontrollzwang killt den Content

Ein weiterer Content-Killer ist der Kontrollzwang. Bekannt aus Funk und Fernsehen oder: der PR-Welt. Über Jahrzehnte war es Aufgabe einer guten Öffentlichkeitsarbeit gezielt Informationen zu veröffentlichen, gespickt mit ausgewählten Bilderwelten. Unschönes ließ man am liebsten fix unter dem Teppich verschwinden. Spätestens im Zeitalter des User Generated Content waren diese Zeiten vorbei. Die User haben nun die Technologie zu antworten und ebenfalls Öffentlichkeit zu erzeugen.

Damit sind Unternehmen eigentlich gezwungen, sich zu öffnen und mit den Empfängern ihrer Botschaften auf eine Ebene zu begeben. Der Kontrollzwang zieht sich aber immer noch durch die Führungsetagen. Bis heute bleibt die alte Angst vor negativem Feedback eines der Hauptargumente, warum sich Unternehmen gegen eine Social Media-Präsenz entscheiden. Als wenn die Menschen nicht über eine Marke sprechen würden – bloß weil sie keine eigenen Social-Kanäle betreibt.

Marken kreisen immer noch um sich selbst

Genauso schwer scheint es den Marketern zu fallen, sich von ihrer Produktwelt zu lösen. Brian Solis gab schon vor Jahren das viel zitierte Credo heraus: „Don’t talk about products, talk around products“. Abgesehen von vielen Zitaten ist nicht so wahnsinnig viel passiert. Unternehmen reden überwiegend über sich und ihre Produkte. Sofern das die Zielgruppe interessiert – kein Problem. In vielen Fällen interessieren die Menschen im Internet aber ganz andere Dinge. Sie suchen nach Lösungen, konkreten Informationen oder einfach Unterhaltung. Ein wichtiger Erfolgsfaktor für gutes Content Marketing ist, die eigene Produktwelt zumindest ein Stück weit zu verlassen und zwar in Richtung der Zielgruppe.

Mutig ist der Weg aus der Masse

Einige Unternehmen haben bereits bewiesen wie es geht. Einer der ersten, die Content Marketing für sich entdeckt haben, ist der Küchengerätehersteller BlendTec. Viele fassten sich an den Kopf, als das Unternehmen parodistische Videos produzierte, in denen unter „Laborbedingungen“ getestet wurde, was ein BlendTec Mixer alles zerstückeln kann. Seit 13 Jahren kommt von iPhones über Cola-Dosen und Gartengeräten bis hin zu Barbies alles unters Messer. Der Erfolg gibt BlendTec recht. Der Kanal „WillItBlend“ erfreut sich heute immer noch über 800.000 Abonnenten.

Screenshot des YouTube Kanals "Will It Blend" von BlendTec

Ein weiteres Beispiel ist der Epic Split von Volvo, in dem der etwas angestaubte Actionheld Jean-Claude Van Damme ein kleines Comeback feiert. Das Video hat fast 100 Millionen Aufrufe weltweit.

Auch das Social Media Dashboard Hootsuite konnte mit einem perfekt geplanten Viralvideo punkten: Zur Premiere der weltweiten Erfolgsserie Game of Thrones produzierte Hootsuite ein Remake des Vorspanns, in dem Orte aus der Serie mit Social Media-Kanälen ersetzt wurden. Hier war sicherlich das gute Timing ein wichtiger Erfolgsfaktor, der abschließende Slogan „Unite Your Social Kingdoms“ das clevere i-Tüpfelchen.

Mehr Babylon für das Content-Land

Früher oder später ist es verlockend, auf alte Marketing-Wege zurückzukehren. Das ist verständlich, denn sie sind berechenbar und bewährt, man kennt jede Abzweigung und hat alte Bekannte an der Seite. Aber: Wer mit Content Marketing punkten will, muss alte Routinen ein für alle Mal hinter sich lassen. Dass sich Mut und Mühe lohnen, haben große wie kleine Marken schon bravourös vorgemacht.

Lasst uns aus den frisch angebrochenen 20er Jahren die „Goldenen Zwanziger“ des Contents machen. Die Zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts haben uns gezeigt, wie radikaler Wandel geht – und sie hatten anscheinend viel Spaß dabei.

Author

Barbara Ward
Barbara Ward hat mit ‚Fit für Content Marketing’ bereits ihr drittes Fachbuch veröffentlicht. Trotzdem kommt ihr die Bucharbeit noch immer wie ein Ausflug ins Weltall vor. Denn eigentlich ist sie mit Haut und Haaren Onlinerin. Die gelernte Werbekauffrau, studierte Medienwissenschaftlerin und Journalistin lebte lange im englischsprachigen Ausland. Dort nutzte sie soziale Netzwerke bereits als Kampagneninstrument, in Zeiten, in denen Facebook noch in den Kinderschuhen steckte. So twittert und postet sie professionell schon seit 2006, und das sogar aus steckengebliebenen Aufzügen. Aktuell ist sie als Autorin und Beraterin für Unternehmen, Verlage und Agenturen tätig.